VW-Mitarbeiter will keine "Audianer_in" sein
Ein Gericht befasst sich in der kommenden Woche mit dem Gender-Leitfaden von Audi.
Ingolstadt. (dpa/kla) Weil Audi nicht mehr alle seine Beschäftigten "Audianer" nennt, sondern geschlechtergerecht "Audianer_innen", findet sich der Autokonzern in der kommenden Woche vor Gericht wieder. Ein VW-Mitarbeiter will nicht in gendergerechter Sprache angesprochen werden will, hat deswegen gegen die Konzerntochter Audi geklagt. Das Gendern ist offenbar noch immer ein Reizthema – nun müssen sich ab kommenden Dienstag die Richter einer Zivilkammer des Ingolstädter Landgerichtes damit beschäftigen.
Audi hatte im März 2021 "zur besseren Sichtbarkeit geschlechtlicher Vielfalt" einen Leitfaden für gendersensible Sprache eingeführt. Dabei geht es darum, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schriftlich gendersensibel kommunizieren sollen. Audi schlägt entweder neutrale Formulierungen ("Führungskraft" statt "Chef") oder den sogenannten Gender-Gap vor, mit dem die männliche und die weibliche Form mit einem Unterstrich verbunden wird – so werden auch aus den bisherigen "Audianern" die "Audianer_innen".
Der Kläger, ein Angestellter der Konzernmutter VW, der mit Audi-Kollegen zusammenarbeiten muss, störte sich daran, dass nun auch in der Kommunikation mit ihm Gender-Formen wie der Unterstrich ("Mitarbeiter_innen") genutzt werden sollen – und sieht durch den Gender-Leitfaden seine allgemeinen Persönlichkeitsrechte verletzt. Zunächst verlangte er, dass der Autobauer es unterlässt, seinen Mitarbeitern die Nutzung der Gender-Regeln vorzuschreiben. Nachdem Audi jedoch keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, verklagte der Mann den Autobauer.
Wie ein Sprecher des Gerichts erläuterte, wird der Richter bei dem Termin am Dienstag zunächst versuchen, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erreichen. Sollte diese nicht gelingen, werde anschließend gleich die Hauptverhandlung beginnen.
Die beiden Anwälte des Klägers betrachten das Verfahren auch als eine Art Musterprozess. "Das ist eine Frage, die die Gesellschaft berührt", sagte Rechtsanwalt Dirk Giesen. Unterstützt wird die Klage vom Verein Deutsche Sprache, der das Gendern generell ablehnt und von einer "Ideologie" spricht. "Unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung wird durch das Gendern das Kommunikationsmittel Sprache geopfert", schimpft der Verein. Andere Organisationen der Sprachpflege äußern sich weniger deutlich, verweisen wie die Gesellschaft für deutsche Sprache mitunter aber darauf, dass beim Gendern trotzdem die grammatikalischen Regeln eingehalten werden sollten.
Auch interessant
Audi selbst will zu dem laufenden juristischen Verfahren keine konkrete inhaltliche Erklärung abgeben. Davon abgesehen gelte aber, dass das Unternehmen eine Organisationskultur pflegen wolle, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt sei, sagte ein Audi-Sprecher. "Die Verwendung gendersensibler Sprache bedeutet eine Kommunikation, die alle Geschlechter und geschlechtlichen Identitäten wertschätzt und berücksichtigt."
Wann es in dem Verfahren ein Urteil gibt, ist bislang noch unklar. Der weitere Fortgang dürfte von dem Ergebnis des ersten Prozesstages abhängen. Zivilverfahren dauern häufig wesentlich länger als Strafprozesse.
Die Klage ist Teil einer hitzigen Debatte über die richtige Ansprache der Geschlechter. Immer mehr Hochschulen, Behörden und Unternehmen verwenden geschlechtergerechte Sprache. Diskutiert wird dabei auch über die Einführung von sogenannten Gender-Schreibweisen. So gibt es das Gender-Sternchen ("Student*innen") oder den Unterstrich ("Bürger_innen"). Die beim Autobauer eingeführte Unterstrich-Schreibweise wird auch von der "Charta der Vielfalt" verwendet, eine Initiative mit dem Ziel, "die Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt in der Arbeitswelt in Deutschland voranzubringen. Mitgliedsunternehmen sind unter anderem SAP, die BASF und Daimler Truck, und auch Audi.